Am frühen Morgen des 14.06.2019 fuhren zwei Streifenwagen vor einem Wohnhaus in Baienfurt
(Landkreis Ravensburg) vor, um eine vom Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte Abschiebung zu
vollziehen. Aus Angst vor dieser Abschiebung sprang der 39-jähriger Asylbewerber aus dem Fenster
des dritten Obergeschosses. Der Mann überlebte den Sprung nicht – er erlag seinen schweren
Verletzungen noch an der Unglücksstelle.

Das Bündnis für Bleiberecht Oberschwaben-Bodensee ist erschüttert und trauert mit der Familie
und den Freunden dieses neuen Opfers einer unmenschlichen Abschiebepolitik.
Der Mann sollte nach Algerien abgeschoben werden. In Algerien, das als „Sicheres Herkunftsland“
eingestuft wurde, demonstrieren seit Monaten – am vergangenen Freitag zum 17. Mal – Tausende
gegen die noch vom Ex-Präsidenten Bouteflica installierte Übergangsregierung. Sie fordern u.a. einen
demokratischen Rechtsstaat in Algerien.

Nach Presseberichten lebte der abgelehnte Asylbewerber mit einer Duldung seit zehn Jahren in
Deutschland und war mit einer deutschen Frau verheiratet. Dazu erklärte das Regierungspräsidium
Karlsruhe gegenüber der Presse:
„Heirat oder Arbeit schützt vor Abschiebung nicht. Wenn kein Asylgrund vorliegt, wird jemand
abgeschoben. Vorher wird natürlich intensiv geprüft. Eine Abschiebung ist immer das letzte
Mittel.“ Außerdem seien in diesem Fall noch – nicht näher benannte – Straftaten
„auschlaggebend“ gewesen.

Zu den bisher bekannten Hintergründen erklärt das Bündnis:
„Wir wissen derzeit noch nicht, wie ‚intensiv‘ das Regierungspräsidium die Notwendigkeit der
Abschiebung geprüft hat und welche anderen ‚Mittel‘ in Erwägung gezogen wurden. Dass jedoch der
im Grundgesetz verankerte Schutz der Ehe und Familie aber für Geduldete und ihre EhepartnerInnen
offenbar weniger wiegt als die Ausreiseaufforderung eines Regierungspräsidiums, haben wir in dieser
Deutlichkeit noch nicht gehört. Das empört uns und widerspricht allen verfassungsrechtlichen
Grundsätzen.“

Damit praktiziert das Regierungspräsidium schon heute die verschärfte Gangart bei Abschiebungen,
wie sie am vergangenen Freitag mit dem sogenannten ‚Geordnete-Rückkehr-Gesetz‘ im Bundestag
verabschiedet wurde. Hier wurde ein neuer trauriger Höhepunkt bei der Aushebelung von
Grundrechten für Geflüchtete und Geduldeten erreicht. Angefangen mit der Konstruktion von immer
mehr ‚Sicheren Herkunftsländern‘ bis zu einer neuen Duldungs-Kategorie, die elementare
Grundrechte noch drastischer einschränkt, scheint es bei Abschiebungen inzwischen keine
rechtsstaatlichen oder moralischen Grenzen mehr zu geben.

Auch nach den Ergebnissen der Innenministerkonferenz am vergangenen Donnerstag und Freitag –
z.B. drastischer Erhöhung der Bundespolizeikräften bei Abschiebungen – befürchten wir, dass immer
mehr Geduldete in Panik versetzt werden und so weitere Opfer geradezu vorprogrammiert sind.“

Das Bündnis für Bleiberecht fordert deshalb:

  • die lückenlose und öffentliche Aufklärung der Vorgänge in Baienfurt,
  • eine Klarstellung des Regierungspräsidiums zur Gültigkeit des Grundgesetzes auch für
    Geduldete.

Die Pressemitteilung zum Download: PM 16.06.19 Tödliche Abschiebung Baienfurt