Eingeladen zur Veranstaltung am 5. Mai 2019 in die Ravensburger Zehntscheuer waren Dominik Meyer, Referent der Europaabteilung PRO ASYL und Eric Otieno, kenianischer Politik- und Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter des Fachbereichs Entwicklungspolitik und postkoloniale Studien der Universität Kassel. Moderiert wurde die Veranstaltung von Annette Groth, die bis 2017 Bundestagsmitglied und Mitglied im Migrationsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates war.

Schon in der Begrüßung durch Frank Matschinski standen die harten Fakten aus dem Jahr 2018 im Mittelpunkt: 68,8 Mio. Menschen waren weltweit auf der Flucht – über 40 Mio. davon als Binnenvertriebene: allein 1 Mio. Rohingya aus Myramar flohen in eins der ärmsten Länder der Welt, nach Bangladesch. Nach Schätzungen waren über 6000 Bootsflüchtlinge im indischen Ozean unterwegs, die von keinem Land aufgenommen wurden. Australien setzte völkerrechtswidrig Flüchtlinge auf der Insel Nauru fest. In Libyen wurden im Auftrag der EU tausende Flüchtlinge interniert. Trotz massenweiser Folter, Vergewaltigungen und Sklavenhandel hält die EU an Ihrer Unterstützung dieses unmenschlichen Grenzregimes fest. In Mittelamerika entwickelt sich die Fluchtbewegung in Richtung USA zu einer der lebensgefährlichsten Flüchtlingsroute der Welt.

 

Fehlende Bildungschancen und Perspektiven bewegen zur Flucht

Die Frage: „Warum begeben sich Menschen weltweit auf die Flucht und was sind ihre Gründe?“ stellte Groth deshalb folgerichtig an Eric Otieno. Er begann seine Ausführungen mit einem Zitat aus einem berührenden Brief zweier afrikanischen Jugendlichen: Die jungen Afrikaner kamen im Jahr 1999 auf der Flucht nach Europa ums Leben. In ihrem Brief führten sie viele der Gründe auf, die auch heute noch, 20 Jahre danach, Menschen auf die lebensgefährlichen Fluchtrouten treiben: Allem voran fehlende Bildungschancen und damit keine wirklichen Lebensperspektiven. Dazu kommt der wirtschaftliche Niedergang durch Öffnung der Märkte für konkurrenzlos billige Waren aus den Ländern des globalen Nordens, Regierungen, die oft im Interesse der ehemaligen Kolonialmächte repressive, korrupte und undemokratische Strukturen aufrechterhalten.

Das Ganze firmiert unter dem Namen Globalisierung und soll vermitteln, „alle haben was davon“. Mit zahlreichen Beispielen konnte Otieno aber eindrücklich darlegen: Diese Globalisierung hat Gewinner und Verlierer – die Gewinner sitzen in Europa und im globalen Norden, die Verlierer mehrheitlich in den Ländern des globalen Südens.

Letztendlich treibt genau diese Entwicklung immer mehr Menschen auf die Flucht in die „Gewinnerländer“.

 

Die Rechte von Geflüchteten werden fortlaufend beschnitten

Und wie reagieren die auf diese Suche nach Lebensperspektiven? Darauf gab Dominik Meyer einen teilweise deprimierenden Überblick: Im Jahr 1951 wurde die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben und damit eine international gültige Verpflichtung für die Rechte von Geflüchteten geschaffen. Seither gab es immer wieder Versuche, diese Rechte z.B. durch multilaterale Vereinbarungen und nationale Gesetze einzuschränken. In Deutschland und europaweit massiv in den 90er Jahren.

Eine Entwicklung, die B. mit dem EU-Türkei-Deal vor drei Jahren, der faktischen Abschaffung der Seenotrettung, der Kriminalisierung der privaten Seenotrettung und einem repressiven EU-Grenzregime einen traurigen Höhepunkt erreichte. Auch sein Ausblick auf aktuelle Gesetzesvorhaben in Deutschland z.B. bei Abschiebungen und bei Leistungen für Asylbewerber lassen Schlimmes befürchten. Von Europas „Werten“ auf dem Gebiet der Menschenrechte ist angesichts der Rechtsentwicklungen in vielen Ländern Europas wenig übrig geblieben.

 

Wie können die Rechte von MigrantInnen und Geflüchteten gestärkt werden?

„Wie gegensteuern?“ war die zentrale Frage in der regen Diskussion mit Referenten, Moderatorin und Publikum. Auch die Frage: “Können die im vergangenen Jahr verabschiedeten UN-Migrations- und Flüchtlingspakt eine Stärkung der Rechte von MigrantInnen und Geflüchteten bewirken?“ wurde gestellt. Teilweise kontrovers in der Diskussion aber im Ergebnis einig bei den Konsequenzen: Die grundlegenden, menschenrechtlichen Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention müssen weiter eingefordert und verteidigt werden.

Die derzeit nicht bindenden Dokumente wie UN-Migrations- und Flüchtlingspakt müssen im Interesse von Geflüchteten und MigrantInnen mit Leben erfüllt werden. Aber auch ganz konkrete, positive Beispiele wurden genannt: Z.B. die Initiativen für „Arbeit statt Abschiebung“, die sich für eine Bleiberecht von Geduldete in Arbeit einsetzen oder die Aktion „Sichere Häfen“, die sich für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten in Städten stark macht.