Die Befürchtung, dass etwas in der Luft liegt, konnte man schon am  Montag, den 8.10.18, abends in der Ravensburger Innenstadt erkennen. Eine für abends angesetzte Mahnwache eines in der rechten Szene bekannten jungen Mannes, war nachmittags von diesem wieder abgesagt worden. Schon zu diesem
Zeitpunkt hatte das Bündnis für Bleiberecht Oberschwaben-Bodensee eine Gegenveranstaltung kurzfristig angemeldet, aber nach der Absage diese auch wieder zurückgezogen

Vorort konnte man dann abends die doch deutlich erhöhte Polizeipräsenz erkennen. Nazis waren keine gesichtet worden. Im Laufe der Woche gelangten wir doch zu der Einschätzung, dass diejenigen rechten Kräfte, die als OrganisatorInnen die Mahnwache für ihre Zwecke missbrauchen wollten, sicher erneut versuchen würden eine Veranstaltung anzumelden. Und da Montage in diesen Kreisen bekanntermaßen sehr beliebt sind, hatten wir uns dazu entschlossen für die Montage, 15.10.18 und 22.10.18 Kundgebungen anzumelden und auf die am 15.10.18 breit zu mobilisieren.

Dass unsere Einschätzung richtig war, zeigte die Anmeldung einer erneuten Mahnwache für die Opfer, für den 15.10.18. Die Mahnwache wurde von der Anmelderin Susanne Genz als völlig unpolitisch dargestellt. Allerdings sind wir auf Videos im Netz gestoßen, die sie als Rednerin auf einer PEGIDA-Kundgebung in Villingen-Schwenningen zeigen.

Nach Bekanntwerden der Anmeldung der sog. Mahnwache, nahm die auf Facebook und diversen Verteilern gestreute Einladung des Bündnis für Bleiberecht und Oberschwaben ist bunt sehr schnell Dynamik auf. Das Endergebnis konnte man am Montagabend auf dem Marienplatz beobachten:

2500 Menschen, die gekommen waren, um sich unter dem Label #WIRSINDMEHR klar und deutlich zu positionieren für Vielfalt und Toleranz und gegen rechte Hetze. In einer offenen Atmosphäre und sehr guter Stimmung konnte das Programm von 18.30 – 20.00 Uhr störungsfrei über die Bühne gehen. Gleich zu Beginn wurde die Stimmung super angeheizt von den TrommlerInnen der Sambagruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Micha Matschinski (Bündnis für Bleiberecht) eröffnete dann die Kundgebung voller Begeisterung, weil so viele Menschen dem Aufruf gefolgt sind und sich eingefunden hatten. Sie legte dar, warum die VeranstalterInnen der Gegenveranstaltung keineswegs nur sogenannte „besorgte Bürger“ seien.

Als gemeinsame Überschrift hatten sich die RednerInnen darauf verständigt, sich aus verschiedenen Blickwinkeln dem Thema der zunehmenden gesellschaftlichen sozialen Spaltung anzunähern. Diese wird von den RednerInnen als Voraussetzung für den Zuwachs der Rechtspopulisten begriffen.

Micha Matschinski stellte kurz die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Flüchtlinge selbst und inzwischen auch für ihre UnterstützerInnen dar (Stichwort: „Anti-Abschiebe-Industrie“). Auch wandte sie sich im Namen des Bündnisses entschieden gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung.

Anschließend hatten einige engagierte SängerInnen: die europäische Hymne „Ode an die Freude“ angestimmt – die BesucherInnen hatten im Vorfeld Liedtexte in die Hand bekommen und stimmten zahlreich mit ein.

Es folgte als Redner Jens Liedtke, Regionalsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Er begegnete dem Thema gesellschaftlicher Spaltung mit sozialpolitischen Forderungen nach höheren Renten, die ein würdevolles Leben im Alter ermöglichen, bezahlbaren Mieten für alle, und eine insgesamt größere Verteilungsgerechtigkeit.

Volker Jansen sprach als Privatperson, aber als langjähriges Mitglied der Agenda Eine Welt und des BUND und als Mitbegründer der Städtepartnerschaft RV – Brest (Russland). Er beschäftigte sich mit dem Thema Demokratie aus ökologischer Sicht und setzte sich mit diesbezüglichen Aussagen der AFD auseinander. Er beschrieb den ökologischen Fußabdruck, den unsere Generation auf diesem Planeten hinterlässt und schilderte seine persönlichen Konsequenzen daraus.

Der anschließend auftretende Poetry Slammer Jay Man war ein weiteres kulturelles Highlight. Seine ehrlichen, eindringlichen, rhythmisch vorgetragenen Texte nahmen die ZuhörerInnen in ihren Bann – reichlicher Applaus belohnte seinen Auftritt.

Lilo Rademacher von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA), mahnte in ihrem Beitrag, die leidvollen Lehren aus der Vergangenheit nicht zu vergessen, den Anfängen zu wehren und sich den erneut zunehmenden rassistischen Mobilisierungen entgegenzustellen. Eindringlich verwies sie auf den Schwur von Buchenwald: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

Werner Langenbacher, als katholischer Betriebsseelsorger,  erläuterte auf eher unterhaltsame Weise wie absurd das Schwarz-Weiß-Denken und der spaltende Rassismus ist. Sein Fazit: „Unter der Haut sind wir alle 
gleich!“

Es folgt nochmal ein Trommelwirbel der Sambagruppe der GEW!

Zum Schluss kamen noch die Gemeinde- und Kreisräte zusammen, um ein gemeinsames, parteiübergreifendes Statement für Toleranz und Vielfalt abzugeben.

Mit einer erneuten musikalischen Einlage des Chors, der diesmal mit Unterstützung aus der Musikanlage, die Teilnehmerinnen der Kundgebung zum Mitsingen des Freiheitslied Bella Ciao animierte, endete die Veranstaltung gut gelaunt und moralisch gestärkt kurz nach 20 Uhr.

Und es bleibt dabei:
Wir sind viele, wir sind mehr! Kein Fußbreit des Faschisten!