Die Situation der gambischen Geflüchteten in Oberzell – Sammlung der Aussagen der Männer und von ehrenamtlichen Unterstützern:

Sie wollen gerne hierbleiben, aber sie wissen nicht, wie lange sie das noch können, da die meisten noch auf ihre Verhandlung und Entscheidung des Gerichtes über ihren Asylantrag abwarten. Von Anfang an über nun 4 Jahre leben sie in Ungewissheit – das ist einfach zu lange. Sie wissen nicht, ob sie hier eine Zukunft haben und ob es sich lohnt, sich zu integrieren, wenn sie vielleicht gar nicht bleiben können. Das macht einen großen Stress und psychischen Druck, was wiederum das Deutsch lernen und die Arbeit, sowie den Umgang mit schwierigen Situationen erschwert. Es ist schwierig, sich in der Schule zu konzentrieren, wenn man ständig mit dieser Unsicherheit lebt. Und es ist schwierig, Vertrauen in eine bessere Zukunft zu haben. Die Begeisterung und die große Motivation, mit der sie angekommen sind, schwindet mit der Zeit, weil sie immer ausgebremst werden (z.B. durch Wartezeiten bei Genehmigungen z.B. für Arbeit, Wohnung, …).

Es ist eine große unverständliche Ungerechtigkeit, dass eigenes Bemühen und Anstrengungen zur Integration nicht belohnt werden. Die Leute, die Deutschkurse besuchen, regelmäßig zur Arbeit gehen, Steuern zahlen und keine Probleme mit der Polizei haben, werden im Asylverfahren nicht anders beurteilt als die, die sich weniger oder gar nicht bemühen.

Ein zusätzlicher Stress sind die Familien zuhause, die in schwierigen Situationen leben und denen sie so gerne helfen wollen, es aber nicht können. Und wenn ein Elternteil stirbt, sind sie weit weg, konnten sich nicht verabschieden und nicht zur Beerdigung kommen. Dazu kommt das Heimweh und manchmal auch Unverständnis der Familien, die meinen, dass in Europa alles einfach ist. Außerdem leiden viele unter Traumata durch die Fluchterfahrungen.

Der Umgangston von vielen Beamten in Behörden, wie z.B. dem Ausländeramt, ist unfreundlich und von wenig Verständnis geprägt. Oft wird ihnen absichtlich Angst gemacht, gesagt, dass sie keine Chance hätten und gezeigt, dass sie nicht willkommen sind. Das bestätigen auch ehrenamtliche BegleiterInnen, wobei immer wieder festgestellt wird, dass die Behandlung unterschiedlich ist, je nachdem, ob jemand dabei ist, oder die Männer alleine kommen.

Um eine Chance zu haben, in Deutschland zu bleiben, ist es fast unmöglich, ohne Anwalt auszukommen. Dieser kostet aber viel Geld, das die Männer am Anfang von ihrer Sozialhilfe zahlen und später von ihrem oft geringen Gehalt. Die Erfahrungen mit Anwälten sind sehr unterschiedlich. Es gibt Anwälte, die von Anfang an sagen, wie viel der ganze Prozess kosten wird, die informieren über das, was sie tun und auch für Fragen zur Verfügung stehen und solche, die regelmäßig bezahlt werden, aber nie darüber informieren, was sie eigentlich gerade tun.

Praktisch alle der Männer haben dank ehrenamtlicher Unterstützung eine Arbeit, aber es ist ausgesprochen schwierig bis unmöglich, eine Wohnung außerhalb des Wohnheimes zu finden. Es gibt viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum und viele Vermieter wollen nicht an sie vermieten. Auch scheuen Vermieter die Unsicherheit, ob die Behörden dem Mietvertrag zustimmen und ob der Mieter nicht irgendwann abgeschoben wird.

Das betrifft auch die Arbeit: für Arbeitgeber ist es eine große Unsicherheit, jemanden anzustellen, von dem sie nicht wissen, wie lange er eine Arbeitsgenehmigung hat. Auch hier ist die Frage, ob es sich für die Arbeitgeber lohnt, in die Integration ihrer Mitarbeiter zu investieren, wenn nicht klar ist, ob sie bleiben können.

Für die Arbeitgeber und die Männer wäre ein „Spurwechsel“ die ideale Lösung: Anstatt im immer unsicheren Asylstatus zu bleiben, in ein Bleiberecht über die Arbeit zu kommen. Die Männer würden es alle begrüßen, wenn diejenigen, die arbeiten, Steuern zahlen (und UNSERE Renten!), Deutsch lernen und nicht kriminell werden, in Deutschland einen Aufenthaltstitel bekommen könnten. Sie fänden es durchaus gerechtfertigt, wenn dieser erst immer wieder befristet und die oben genannten Kriterien immer wieder überprüft würden. Der Vorteil davon wäre auch, dass sie den Aufenthalt so durch ihr eigenes Bemühen bekommen würden, nicht über eine Heirat oder über ein deutsches Kind. Die Tatsache, dass diese beide Möglichkeiten die sichersten Bleibeperspektiven sind, macht es für die Männer auch sehr schwierig, eine echte Beziehung aufzubauen und eine Partnerschaft zu leben, da immer der Verdacht im Raum steht, dass es nur um Papiere geht. Wenn sie die Papiere über ihre eigenen Bemühungen bekommen würden, könnten sie sich selbst respektieren, würden mehr Respekt von außen erfahren, wären zufriedener und würden sich wohler fühlen.

Was großen Druck macht, ist die Tatsache, dass für eine Ausbildungsduldung, die ja ein guter Weg für ein Bleiberecht ist, die Identitätspapiere abgegeben werden müssen. Wie die Männer wissen, ist dadurch eine Abschiebung jederzeit möglich, wenn die Ausbildung abgebrochen wird. Aber sie haben auch kein Vertrauen, dass es nicht wieder eine Gesetzesänderung gibt, und auch die Ausbildungsduldung nicht sicher für sie ist. Außerdem bleibt die Frage offen, was passiert, wenn sie die Ausbildung und die zwei Berufsjahre danach beendet haben. Außerdem ist eine Ausbildung in einer fremden Sprache sehr, sehr schwierig, zumal manche in ihrem Heimatland nicht lesen und schreiben gelernt haben. Und es werden auch nicht nur Fachkräfte gebraucht, sondern v.a. auch Menschen, die einfach arbeiten. Aber dafür gibt es (noch) kein Bleiberecht.

Arbeitsverbote als Druckmittel, um Identitätspapiere zu beschaffen und abzugeben, bedeuten eine höhere Belastung für die Steuerzahler und eine größere Wahrscheinlichkeit, dass die untätigen und nur noch sehr gering unterstützten Menschen kriminell werden oder zu Suchtmitteln greifen.

Erst auf deutliches Nachfragen erzählen die Männer von vielen Erfahrungen von Diskriminierungen und Rassismus. Sie wollen uns damit nicht belasten und beschämen. Jeder von ihnen erlebt fast täglich bei der Arbeit, auf der Straße, im Bus und bei Behörden Situationen, in denen ihm offene Feindschaft entgegengebracht wird. Schimpfworte, Anspielungen auf ihre Hautfarbe, ein „Go home“ aus einem fahrenden Auto herausgeschrien, Busfahrer, die ihnen das Wechselgeld vor die Füße werfen, sind nur wenige Beispiele. Erstaunlich ist ihre Geduld im Umgang damit. „Ich weiß, dass auf einen Rassisten zehn gute Menschen kommen. Das hilft mir, geduldig zu sein.“ Trotzdem passiert es manchmal, dass sie irgendwann doch nicht mehr können, ausrasten und damit Vorurteile bestätigen. Es ist ihnen aber klar, dass sie nie wirklich werden in Frieden leben können, solange sie in Deutschland leben, weil ihnen das immer wieder passieren wird, auch wenn sie schon lange deutsche Papiere haben, einfach weil ihre Hautfarbe anders ist.

Die Männer haben den Eindruck, dass sie das auch von anderen Ausländern unterscheidet und sie dadurch noch mehr Benachteiligungen erfahren. Das wird verstärkt durch unterschiedliche Gesetzgebungen für verschiedene Länder, bzw. Handhabungen bei Fragen wie der Finanzierung von Integrationskursen, unterschiedliche Aufenthaltsrechten, etc. „Wir haben nichts gegen die Menschen, aber gegen Ungerechtigkeiten.“

Wünsche und Träume:

Der größte Wunsch ist es, ein Dokument zu haben, das ihnen den Aufenthalt in Deutschland garantiert, um endlich nicht mehr in Unsicherheit zu leben. Dieses Dokument möchten sie aufgrund ihrer Arbeit und ihrem Integrationswillen bekommen.

Außerdem wäre es schön, wenigstens in der EU frei reisen zu können.

Ein weiterer Wunsch ist, dass einmal wieder Leute aus dem Ortschaftsrat oder auch der Bürgermeister, kommen und selbst mit ihnen sprechen, um sich über ihre Situation zu informieren.

Dankbarkeit

Sehr dankbar sind die Männer über alles, was ihnen Deutschland ermöglicht. Sie sehen vieles, was gut ist und viele Bemühungen, haben aber den Eindruck, dass es zu kurz greift. Trotz aller negativer Erfahrungen leben sie gerne in Deutschland. Sie sind ausgesprochen dankbar über unser ehrenamtliches Engagement und alle unsere Hilfe, die sie sehr wertschätzen und für nicht selbstverständlich halten. Ohne diese Unterstützung hätten sie keine Arbeit und wären auch mit vielen Anforderungen, v.a. der Bürokratie, überfordert. Sie wissen, dass das nicht überall so ist.

Ausgesprochen beeindruckend ist auch ihr großes Gottvertrauen, das ihnen viel Geduld und Gelassenheit gibt. Fast jedes Gespräch endet mit der Feststellung: „Egal, was kommt, am Ende ist Gott der, der entscheidet“.